Wasserstoff oder Akku? Wer gewinnt im Verkehr?

Dieser Beitrag fasst meine Präsentation zur Veranstaltung „Wasserstoff – Schlüssel für die postfossile Zukunft oder nur heiße Luft“ vom 13.01.2021 zusammen. Die Kernfrage war, ob es sinnvoll ist, Wasserstoff im Verkehrssektor einzusetzen und wenn ja, in welcher Form.

Konkurrenz im Verkehrssektor

Um den Vortrag in einem sinnvollen Rahmen zu lassen, habe ich die Betrachtung auf die Bereiche PKW, LKW und Schienenfahrzeuge beschränkt.

In diesen Bereichen konkurrieren zur Zeit zwei Technologien um die Nachfolge des Verbrennungsmotors: akkubetriebene Fahrzeuge und Fahrzeuge mit Brennstoffzelle, also mit Wasserstoff als Energielieferant. Um herauszufinden, ob der Einsatz von Wasserstoff in den untersuchten Bereichen sinnvoll ist, müssen beide Technologien miteinander verglichen werden.

Der Antrieb im Vergleich

Beide Fahrzeuge besitzen einen Elektromotor und die nötige Elektronik, um diesen anzusteuern. Das Akkufahrzeug besitzt natürlich einen Akku, der die nötige Energie speichert und eine Elektronik, um den Akku zu laden. Oft übersehen wird allerdings, dass auch ein Brennstoffzellenfahrzeug einen Akku braucht. Die Brennstoffzelle alleine ist nämlich viel zu träge, um das Fahrzeug vernünftig bewegen zu können. Man würde an der Ampel aufs Gas treten, aber es würde erst einmal nichts passieren.

Darüber hinaus besitzt ein Brennstoffzellenfahrzeug natürlich die Brennstoffzelle selbst und einen oder mehrere Tanks für den Wasserstoff. Die Brennstoffzelle wird im Betrieb heiß, deshalb ist eine zusätzliche Kühlung nötig. Da in der Zelle Wasser entsteht, läuft sie im Winter Gefahr einzufrieren. Aus diesem Grund muss mit einem Gebläse der letzte Wasserrest aus der Zelle geblasen werden, bevor das Fahrzeug abgestellt wird. Um es dann wieder in Betrieb zu nehmen, muss die Brennstoffzelle mit einer zusätzlichen Heizung erst wieder auf Temperatur gebracht werden.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass im Brennstoffzellenfahrzeug alle Teile eines Akkufahrzeugs verbaut sind. Zusätzlich sind aber noch viele weitere Teile nötig. Neben der Brennstoffzelle und dem Wasserstofftank auch eine Heizung und ein Gebläse. Außerdem ist ein Luftfilter nötig, denn die Brennstoffzelle ist sehr empfindlich gegen Feinstaub.

Vor- und Nachteile im Vergleich

BrennstoffzelleAkku
AufbauSehr komplexdeutlich einfacher
W2W Wirkungsgradca. 30%ca. 70%
Konflikt-RessourcenPlatin, Palladium, NeodymLithium, Kobalt, Neodym
Fertigungskosten€€€€€€
Leistung [kW]134 / 190 / 544413 / 500 / 1280
Gewicht [t]1,9 / 10 / 1382,1 / 8 / 200
Leistungsgewicht [kg/kW]14,18 / 52,6 / 253,75,1 / 16 / 156,25
Reichweite [km]650 / 400 / 1000652 / 500 / 120
„Tankvorgang“ [min]5 / 20 / 2030 / 100 / 20
Kapazität „Tankstelle“ [Fz/h]2 – 62 – 3
Transport1,2 t @ 700 bar oder
4 t @ -252 °C in LKW
Stromnetz
Betriebskosten35% höher als Akku
CO2 Bilanzunentschiedenunentschieden
Tabelle 1: Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile beider Systeme (Werte für Auto / LKW / Zug)

In Tabelle 1 werden die Vor- und Nachteile beider Technologien gegenüber gestellt. Für die Werte habe ich real im Einsatz befindliche Fahrzeuge gewählt. Die Fahrzeugauswahl finden Sie ganz unten.

Die Reichweite im Vergleich

Interessant ist, dass sich beide Technologien bei der Reichweite kaum unterscheiden. Die höhere Reichweite wird jedoch immer als Vorteil der Brennstoffzelle verkauft. Der Unterschied bei Schienenfahrzeugen lässt sich damit erklären, dass der Akku-Zug ein Hybrid ist und kein reines Akkufahrzeug. Er kann auch noch unter normaler Oberleitung fahren. Die zusätzliche Technik schränkt die Größe der Akkus ein.

Mehr Leistung für den Schwerlastverkehr?

Die Brennstoffzelle wird gerne im Schwerlastverkehr gesehen, da sie angeblich eine höhere Leistung hat. Die realen Fahrzeuge zeigen jedoch genau das umgekehrte Bild: Die Akkufahrzeuge haben eine deutlich höhere Leistung („mehr PS“) als die Brennstoffzellen-Fahrzeuge. Beide Fahrzeuge verwenden die gleichen Akkus. Doch beim Brennstoffzellenfahrzeug muss die Zelle den Akku während der Fahrt nachladen, da er viel kleiner ist als beim Akkufahrzeug. Da die Brennstoffzelle selbst nur eine geringe Leistung liefert, muss folglich auch die Leistung des Fahrzeugs begrenzt werden. Mit anderen Worten: Der Brennstoffzellen-LKW kommt den Berg nicht hoch.

Dies bestätigt auch die Betrachtung des Leistungsgewichts. Bei Fahrzeugen eine wichtige Größe, die einfach gesagt angibt, wie viel Gewicht mit jeder Pferdestärke bewegt werden muss. Auch hier sind die Akkufahrzeuge deutlich überlegen. Zwar haben sie in der Regel ein etwas höheres Gewicht als die Konkurrenz, aber durch die deutlich höhere Leistung können sie das mehr als kompensieren. Mit anderen Worten, Akkufahrzeuge beschleunigen besser und können besser auf Änderungen im Verkehr reagieren.

Altbekanntes: Wirkungsgrad gegen Standzeiten

Ansonsten ergeben sich die üblichen Argumentationsmuster: Das Akkufahrzeug hat einen deutlich höheren Wirkungsgrad. Das heißt, von der eingesetzten Energie geht weniger als Wärme verloren. Da zur Zeit die Energiewende gerade einmal bei 50 % Öko-Strom angelangt ist, sollten wir mit unserem Strom bewusst umgehen. Der Einsatz von Fahrzeugen mit niedrigem Wirkungsgrad bedeutet automatisch, dass mehr Windräder und PV-Anlagen gebaut werden und dass die Kohlekraftwerke länger am Netz bleiben müssen.

Das Brennstoffzellenfahrzeug hat hingegen den Vorteil, dass es sich schneller betanken lässt. Oft wird argumentiert, dies sei der einzige Aspekt, der zähle, denn es besteht anscheinend der Wunsch, die maximale Reichweite mehrfach hinter einander auszufahren. Bei Lkw sind regelmäßige Pausen von 45 Minuten vorgeschrieben, Autofahrer*innen wird es ebenfalls empfohlen, alle paar Stunden eine längere Pause einzulegen. Die genannte Forderung nach schnellem Nachtanken, um sofort weiter zu kommen, tritt in der Realität also gar nicht so häufig auf.

Was bringt die Zukunft?

Beide Technologien möchten ohne ihre „Konflikt-Ressourcen“ Platin, Palladium, Lithium und Kobalt auskommen. Diese Ressourcen werden unter enormen Umweltschäden und nicht selten auch mit schlimmen Menschenrechtsverletzungen abgebaut.

Der Wirkungsgrad der Brennstoffzelle soll deutlich gesteigert werden, doch die Entwicklung gestaltet sich schwierig. Ein Akku mit dreifacher Kapazität, der fünfmal so schnell geladen werden kann, ist jüngst vom Fraunhofer Institut vorgestellt worden. Damit lässt sich bei gleicher Baugröße die Reichweite der Akkufahrzeuge fast verdreifachen.

Die wirtschaftliche Betrachtung

Mit dem Boom am Akku-Markt werden Akkus immer günstiger werden. Da im Brennstoffzellenfahrzeug im Vergleich zum Akkufahrzeug deutlich mehr Teile verbaut sind, wir es in der Produktion immer teurer bleiben als das Akkufahrzeug.

Die einzige vertretbare Methode, Wasserstoff zu erzeugen, ist mit Öko-Strom aus Wasser. Damit ist aber klar, dass Wasserstoff immer teurer sein muss, als den Öko-Strom einfach gleich zu benutzen. Zur Zeit wird damit gerechnet, dass ein Brennstoffzellenfahrzeug auf die Lebensdauer 35 % teurer ist als ein vergleichbares Akkufahrzeug.

Fazit

Die realen Fahrzeuge unterscheiden sich kaum. Die Umweltverträglichkeit ist auch bei beiden gleich. Solange wir aber noch keinen Öko-Strom im Überfluss haben, ist meiner Meinung nach der hohe Wirkungsgrad des Akkufahrzeugs wichtiger, als das schnelle Tanken mit Wasserstoff. Wirtschaftlicher ist sowieso immer der Akku.

Deshalb ist der Einsatz von Wasserstoff im betrachteten Verkehrsbereich meiner Meinung nach nicht sinnvoll.

Betrachtete Fahrzeuge
  • PKW
    • Toyota Mirai (Brennstoffzelle)
    • Tesla Model S (Akku)
  • LKW
    • Hyundai Xcient Fuel Cell (Brennstoffzelle)
    • Futuricum SEMI 40E (Akku)
  • Schienenfahrzeuge
    • Alstom Coradia iLint (Brennstoffzelle)
    • Siemens Desiro ML „cityjet eco“ (Akku-Oberleitung-Hybrid)

Verwandte Artikel